Die Archivverwaltung stellt Ihnen schriftliche Zeugnisse aus der Zeit zwischen 1945 und 1953 zur Geschichte unserer Gemeinde vor. Erleben Sie mit Karl Heilmaier, dem damaligen Hauptlehrer, eine Zeitreise in die Lebens- und Arbeitswelt unserer bäuerlichen Vorfahren.

 

30. Mai 1945

Nachmittags ging über die Gemeindeflur und deren Umgebung ein schweres Hagelwetter nieder. Die Kornfelder, die schon in schönster Blüte standen, wurden größtenteils vernichtet. Der Schaden schwankt zwischen 40 und 80 Prozent.

In den Weizenfeldern war der Schaden nicht so groß, da der Weizen in der Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten war.Auch die übrigen Felder wurden stark mitgenommen. Bei manchen Häusern wurden durch die Hagelschäden, die teilweiße über taubeneiergroß fielen, Dachplatten zerschlagen.

 

 

 

31. Mai 1945

Infolge der Niederlage Deutschlands wurden im Auftrage der amerikanischen Militärregierung durch den neuen Landrat in Erding, Herrn Dr. Max Lehmer, der Bürgermeister und der Gemeinderat neu aufgestellt.

Zum Bürgermeister wurde ernannt: Korbinian Hochholzer, Bauer in Riedersheim 10. Als Beigeordnete bzw. Gemeinderäte wurden ernannt: 1. Beigeordneter Martin Reslmeier, Bauer in Unterstrogn 20; zweiter Beigeordneter Egid Pichlmaier, Bauer in Unterstrogn 20; als Gemeinderäte Lorenz Lex, Bauer in Emling 12, Balthasar Biller, Bauer in Bockhorn, Matthias Neumaier, Landwirt in Hecken. Zum Ortsobmann des Bauernverbandes wurde bestellt: Sebastian Wiesmaier, Bauer in Hecken 8. Der Gemeindeschreiber Hauptlehrer Karl Heilmaier und der Gemeindekassier Bauerstochter Therese Biller, blieben.

 

3. Juni 1945

Die herkömmliche Fronleichnamsprozession fand in feierlicher Weise im Freien statt.

 

 

 

 

 

6. Juni 1945

Aus dem Kriegsgefangenenlager in Emling, in dem sich deutsche Kriegsgefangene befinden, halten die Entlassungen an.

Viele durchwandernde Soldaten suchen hier teils Arbeitsplätze teils Quartier.

 

12. Juni 1945

Am Freitag, 8. Juni 1945 kurz nach 20 Uhr abends, ging wieder ein schweres Hagelwetter nieder. Die Felder und Gärten wurden fast zu 100 Prozent verwüstet, manche Fensterscheiben eingeschlagen. Die Hagelkörner fielen in Größe von Taubeneiern.

Besonders schwer getroffen wurde die Ortschaft Bockhorn, Ober- und Unterstrogn, Emling und teilweise Riedersheim.

In der Gegend um Hecken und Mauggen entstand fast kein Schaden.

Laut einer Verfügung der Militärregierung und des Landrates Erding müssen bis Dienstag, 12.06.1945, Ausländer aus der Gemeinde fort sein. Gestern sollten die 49 Ungarn, die hier im Schulhaus als Flüchtlinge untergebracht sind, durch amerikanische Militärpolizei ins Lager nach Erding gebracht werden. Da aber das dortige Lager überfüllt ist, bleiben sie bis auf weiteres noch hier. Die polnischen Zivilarbeiter wollen bei den Bauern bleiben und arbeiten. Sie fürchten nämlich, dass sie einrücken müssen, wenn sie zurückkehren.

 

26. Juni 1945

Heute wurden auf einem Kartoffelacker in Riedersheim die ersten Kartoffelkäferlarven gefunden. Dies ist das erste Auftreten des Kartoffelkäfers in der Gemeinde.

 

1. Januar 1946

Rückblick auf das Frühjahr 1945 

Das Frühjahr des Jahres 1945 war gekennzeichnet durch fast dauernde Fliegeralarme. Nach den Fliegerangriffen auf Erding wurden auch über unseren Ortschaften Bomben abgeworfen, wobei zwei Kinder  getötet wurden und ein Schulkind einen Arm verlor. Am 1. Mai zogen amerikanische Panzer von Mauggen her in Bockhorn ein. Auf dem Kirchturm und an den Häusern wehten zum Zeichen der kampflosen Übergabe weiße Fahnen. Die Häuser wurden nach Waffen durchsucht und da sehr schlechtes, nasskaltes Wetter war, waren die Häuser voll amerikanischer Soldaten. Die Wäsche, Kleider usw. wurden aus den Kästen geworfen und Schmucksachen und Uhren wurden von den Soldaten teilweise mitgenommen.

 

 

11. April 1946

Wegen des Mangels an landwirtschaftlichen Arbeitskräften fand am Mittwoch 3. April 1946 durch eine Kommission des Arbeitsamtes Erding eine Überprüfung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte statt. Es sollten aus Betrieben, die eine Arbeitskraft abgeben können, ein Ausgleich vorgenommen werden. Besonders war auch zu überprüfen, ob nicht verschiedene Flüchtlinge bei den Bauern als Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Einige wurden ausgewählt. Das Gesamtergebnis brachte  keine wesentliche Besserung.

 

Hungersnot

Wegen der drohenden Hungersnot sind die Bauern aufgefordert worden, nochmals zusätzlich Getreide und Kartoffeln anzuliefern. Es sind in der Gemeinde zur freiwilligen Ablieferung gemeldet worden: 80 Ztr. Weizen, 22 Ztr. Roggen, 58 Ztr. Gerste, 42 Ztr. Hafer und 371 Ztr. Kartoffeln.

 

24. April 1946 Flüchtlinge

Am Palmsonntag 14. April 1946 trafen aus dem Durchgangslager in Dachau kommend 62 Personen aus der Tschechoslowakei ein.

31 wurden beim Wirt in Bockhorn und 31 beim Wirt in Emling in Flüchtlingslagern untergebracht. Diese ausgewiesenen Volksdeutschen erzählten von den Drangsalen, denen sie ausgesetzt waren. Sie durften aber ihre Kinder und Wäsche mitnehmen, außerdem bekam jede Person, gleichviel ob Kind oder Greis 1000 Mark mit. Diese Flüchtlinge sollen nun in der Gemeinde untergebracht werden und ihnen Arbeit verschafft werden.

 

Unsicherheit auf dem Lande

Wegen der Unsicherheit auf dem Lande hat die amerikanische Militärregierung ab 23. April angeordnet, dass bei Nacht Nachtwachen aufgestellt werden. Alle verdächtigen Personen sollen sogleich der Polizei in Grünbach gemeldet werden.

 

Entnazifizierung

Zurzeit werden alle Einwohner über 18 Jahren Meldebögen zum Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus ausgegeben. Jede Person muss zwei Meldebögen ausfüllen, die an die Spruchkammer in Erding geschickt werden. Das Volk spricht vom Zeitalter des Melde- und Fragebogens.

 

Flüchtlinge

Für die aus der Tschechei kommenden Volksdeutschen müssen nun Flüchtlingsausweise, kurz Flüchtlingspässe genannt, durch die Gemeinde ausgestellt werden.

 

27. Mai 1946

Die Flüchtlinge sind nun auf die Privatquaitiere verteilt. Das war für den Bürgermeister Korbinian Hochholzer eine schwere Arbeit, da die Leute nicht gerne Fremde aufnehmen.

Historische, wissenswerte Daten …
Zum Vergleich eine Zeitreise in das Jahr 1946
aus den Niederschriften von Karl Heilmaier

Rohkost mit Ergänzungen

Mittagessen: Obst, Nüsse, rohe Mohrrüben, Kartoffeln.

Abendessen: Obst, Nüsse, Grünkernflocken m. Milch, Brot, Butter, Liptauer Käse.

Mittagessen: Obst, Nüsse, Mangoldsalat, Kartoffeln.

Abendessen: Nüsse, Sauerkraut, Gerstenflocken m. gequ. Birnen, Brot, Tomatenbutter, Schnittlauch.

Mittagessen: Obst, Nüsse, Weißkohlsalat, Kümmelkartoffeln.

Abendessen: Obst, Nüsse, Feldsalat, Brot, Quark m. Zwiebeln.

Mittagessen: Obst, Nüsse, Sauerkraut m. in Öl  ged.

Zwiebeln, Kartoffeln.

Abendessen: Obst, Nüsse, Haferflocken  m. gequ. Sultaninen, Brot, Kräuterbutter,

Rettiche.

Mittagessen: Obst, Nüsse, roher Kohlrabi, Schwenkkartoffeln.

Abendessen: Nüsse, Endiviensalat, Weizenflocken m. Milch, Brot , Butter, Kochkäse.

 

Speisezettel für November

Beispiele für Mittag- und Abendessen

Mittagessen: Obst, Müsse, Gemüseauflauf m. Schnittlauchtunte, Flädlesuppe.

Abendessen: Sauerkraut, Reisrollen m. Pilztunte, Brot, Kräuterschmalz.

Mittagessen: Obst, Nüsse,

ged. Kohlrüben, Kartoffeln, Hirsespeise m. Fruchtstaft.

Abendessen: Ger. Mohrrüben, Himmel und Erde, Brot, Butter, Schnittlauch.

Mittagessen: Obst, Nüsse, überbackene Schwarzwurzeln, Kartoffeln, Tomatensuppe.

Mittagessen: Nüsse, Weißkohlsalat,

ged. Weißkohl, Kartoffeln.

Abendessen: Apfelmus m. Preisselbeeren u, Quark, Brot, Butter, Rettich, Käse.

Mittagessen: Obst, Nüsse, ger. Mohrrüben, ged. Mohrrüben, Kartoffeln, Schweizer Reis m. Fruchttunte.

Abendessen: Obst, Bechamelkartoffeln m Rote Rübensalat, Brot, Meerrettichbutter.

Mittagessen: Obst, Nüsse, ged. Grünkohl, Kartoffeln, Nudelsuppe.

Abendessen: Sauerkraut m. Öl u. Zwiebeln, Fliedersuppe, Brot, Butter, Käse.

Mittagessen: Obst, Nüsse, geback.

Selleriescheiben m. Tomatentunte, ged. Blumenkohl m. brauner Butter,

Kartoffeln.

Abendessen: Obst, Tomatensuppe, Brot,

 

27. Juni 1946 - Rückblick auf das Frühjahr

Die Heuernte ist nun in vollem Gang. Im April und Mai war ein äußerst trockenes Frühjahr, in dem es fast nicht geregnet hat.

Die Bauern fürchteten schon, es könnte kein Heu geben und das Getreide könnte abstehen.

Das war aber nicht der Fall.

Das Heu ist zwar etwas weniger, aber das Getreide steht so schön, wie es schon viele Jahre nicht mehr gestanden ist. Kornhalme findet man mit fast 2,50 m Höhe. Dabei ist das Getreide schön stehend und nicht von schweren Gewitterregen eingeschlagen und am Boden liegend.

Im Juni war allerdings ein sehr schlechtes Wetter, es hat fast den ganzen Monat geregnet, sodass die Bauern, die zu früh mit dem Heuen begonnen haben, schlechtes, wenn nicht verfaultes Heu heimbrachten. Es gab aber auch einzelne Bauern, die schon fast ganz eingeheut hatten.

Auch Kartoffeln haben sich heuer sehr schön entwickelt. Die Felder sind vom Kartoffelkraut geschlossen und auch hier ist mit einer guten Ernte zu hoffen. Kartoffelkäfer wurden bis jetzt nur ein Einziger auf einem Feld in Hecken gefunden.

Dagegen ist ein schlechtes Bienenjahr. Wegen der Trockenheit konnten die Bienen im Mai noch nicht viel eintragen und den Juni hat es sowieso verregnet. Es sind daher Honig und Bienenschwärme bis jetzt wenig.

 

Die im Juni 1946 durchgeführte Bodenerhebung ergab in der Gemeinde Bockhorn:

 

Ackerland                                                                                      799,56 ha

Hausgärten                                                                                     14,86 ha

Obstanlagen                                                                                     3,61 ha

Wiesen                                                                                        382,76 ha

Viehweiden                                                                                    96,94 ha

Waldungen                                                                                  162,43 ha

Ödland                                                                                           4,32 ha

Moorflächen                                                                                    2,91 ha

Gebäude, Höfe                                                                              21,85 ha

Wegeland                                                                                     25,82 ha

Friedhöfe                                                                                       0,31 ha

Flugplätze                                                                                    15,09 ha

Gewässer                                                                                    15,60 ha

 

Gemeindefläche gesamt                                                      1.546,06 ha

 

davon bebaut mit …

…Winterroggen                                                                      72,34 ha

Sommerroggen                                                                        1,36 ha

Winterweizen                                                                      187,53 ha

Wintergerste                                                                        10,03 ha

Sommergerste                                                                    110,50 ha

Hafer                                                                                136,50 ha

Winter- Mengegetreide*                                                        1,19 ha

Sommer- Mengegetreide*                                                      0,17 ha

Futtererbsen                                                                       2,85 ha

Acker-/Pferdebohnen                                                           7,68 ha

Wicken (Körner)                                                                 1,37 ha

Spätkartoffeln                                                                   58,56 ha

Frühkartoffeln                                                                     1,75 ha

Zuckerrüben                                                                       0,22 ha

Runkelrüben                                                                      42,41 ha

Futterkohl                                                                          1,37 ha

Gemüse (Feldbau)                                                               7,45 ha

Winter-Raps                                                                       8,00 ha

Flachs                                                                                0,41 ha

Rotklee                                                                          125,87 ha

Kleegras                                                                            3,58 ha

Luzerne                                                                            1,19 ha

Grünmais                                                                           0,73 ha

Wicken (Grünfutter)                                                         13,58 ha

Hülsenfrüchte                                                                   0,80 ha

sonstige Futterpflanzen                                                      0,51 ha

 

Ackerland gesamt                                                      799,56 ha

 

*Mengegetreide ist wohl eine Getreidevermischung aus Gerste, Hafer und „Dwelck“ (Roggentrepse)

 

Juni 1946

Wahl zur Verfassungsgebenden Landesversammlung

Am Sonntag, 30.06.1946 fand im Schulhaus zu Bockhorn die Wahl zur Verfassungsgebenden Landesversammlung statt. Wahlvorsteher war der 1. Bürgermeister Korbinian Hochholzer; Stellvertreter der 2. Bürgermeister Egid Pichlmair, Bauer in Oberstrogn; Schriftführer der Bauer Sebastian Wiesmaier in Hecken; Beisitzer die Gemeinderäte Balthasar Biller, Bauer in Bockhorn; Sebastian Neumaier, Wasserinstallateur in Riedersheim und Josef Glück, Schneidermeister in Unterstrogn. Als Wahlberechtigte sind in der Wählerliste eingetragen: 143 Männer und 235 Frauen (=378), außerdem gaben aus fremden Gemeinden kommend zwei Männer und eine Frau einen Wahlschein ab. Sodass es insgesamt 381 Wahlberechtigte waren.

Abgestimmt haben: 122 Männer und 178 Frauen = 300

Ungültige Stimmen 6

Von den 294 gültigen Stimmen entfielen auf:

 

Christlich Soziale Union                       Dr. Max Lehmer Erding        256

Sozialdemokratische Partei                  Christian Roith                     25

Kommunistische Partei                       Alfred Riedl                           1

Demokratische Partei                         Frau Dr. Wenger                   1

Wirtschaftliche Aufbauvereinigung       Alfred Loritz                        11

 

Wahlberechtigt waren alle Männer und Frauen vom 21. Lebensjahr ab, wenn sie sich seit einem Jahr in Bayern aufhielten. Es konnten also auch die Evakuierten, ja sogar einige Norddeutsche wählen. Ausgeschlossen vom Wahlrecht waren die ehemaligen Parteigenossen der NSDAP, soweit sie schon vor dem 1.5.1937 zur Partei gegangen waren, sowie die Mitglieder der SS, SA und des Frauenwerkes und Führer der Gliederungen der Partei. Die Wahl verlief ohne Zwischenfälle.

 

Dienstag, 2. Juli 1946

Ernte

Wegen des vergangenen milden Winters und der Trockenheit im Frühjahr scheint heuer die Ernte früher zu kommen. Zurzeit ist die Heuernte in vollem Gange. Gestern am 1.7.1946 wurde bereits die Wintergerste gemäht und unser Nachbar der Schollbauer Egid Pichlmair in Bockhorn hat sogar schon Wintergerste gedroschen. Das Getreide steht heuer sehr schön.

 

 

 

 

Dienstag, 2. Juli 1946

Religiöses Leben

Heute ist in Bockhorn der große Frauentag (Mariä Heimsuchung). Nach feierlichem Hochamt bei herrlich heißem Wetter fand die Prozession im Freien statt, bei der die vier Evangelien wie an Fronleichnam gesungen wurden. Wir führten in der Kirche die Lorettomesse von Vinzenz Goller auf, sangen zum Offertorium das Haec Dies von Kaspar Ett und als Hymnen bei der Prozession die Fronleichnamsgesänge komponiert von Oberlehrer Felizian Reiser, früher in Schröding – Niederstraubing.

 

9. Juli 1946

In der Nacht vom Freitag, 5.7. auf 6.7. herrschte hier von abends 23h bis 1h morgens ein sehr scharfes Gewitter, wie man es seit Menschengedenken noch nicht wahrgenommen hatte. Blitz folgte unaufhörlich auf Blitz. Dabei hat es gegen 11h oder etwas später im neu erbauten Stadel des Bauern Egid Pichlmiar in Oberstrogn 20 eingeschlagen. In wenigen Minuten stand der ganze Stadel in Flammen und brannte vollständig nieder. Es war ein großes Glück, dass es ungewöhnlich stark geregnet hat und dass kein starker Wind ging, sonst hätte das Feuer sich noch mehr Gebäude mitgenommen. Im Stadel verbrannte das ganze Kleeheu, sowie Wintergerste, die der Bauer am selben Tage noch ganz eingefahren hatte.

In den folgenden Tagen setzte ungewöhnlich starkes Regenwetter Tag und Nacht ein, dass die Strogn in Emling, Ober- und Unterstrogn Hochwasser führte. In Unterstrogn ging das Hochwasser bis zum Brückengeländer der Holzbrücke und bis in den Hof des Bauern Peter Maier (Moar), in Oberstrogn von der Grünbacher Straße bis zum Wagnerbauern Egid Pichlmair, ähnlich war es in den anderen Ortschaften, die an der Strogn liegen. Heute (9.7.1946) ist schon wieder so starkes Hochwasser, dass man von Unter- und Oberstrogn nur mit Fuhrwerken über die Strognbrücken fahren kann, da das Wasser über die Brücken geht.

Ich habe mit dem Wagnerbauern Egid Pichlmair über das Brandunglück gesprochen. Er erklärt sich das Einschlagen des Blitzes so: Im Stadel war ein Greifer zum Heuaufziehen und Abladen eingebaut. Die Gabel des Greifers stand in der Mitte des Stadels mit den Zinken nach aufwärts, weil der Greifer für die Arbeit am nächsten Tage schon hergerichtet war. Durch das starke Regnen meinte er, könnte etwas Feuchtigkeit auf die Zinken durchgesessen sein, denn in diese Gabelzinken schlug der Blitz ein. Er fuhr dann auf der Schiene des Greifers im Stadel fort und entzündete so den ganzen Stadel. In den Dachplatten über den Greifzinken war durch den Blitzschlag ein Loch in der Größe eines Quadratmeters entstanden. Seine Frau hat das Einschlagen nämlich zufällig gesehen, weil sie mit den Kindern in der Kammer wach auf dem Bett lag, sodass sie zum Fenster hinaussah.

 

Ein Jahr später … im Juni 1947

Die Heuernte ist in vollem Gang, man kann sagen, sie geht schon ihrem Ende entgegen. Heuer ist ein ausgesprochen trockener Sommer, in den letzten acht Wochen hat es fast gar nicht geregnet, auch waren keine besonderen Gewitter. Die Folge ist, dass das Bodengras sehr wenig ist und dass es überall an Grünfutter mangelt. Andererseits bringen die Bauern das Heu sehr gut nach Hause. Alles hofft, dass nun wieder mehr Regen fällt und dass dann die Grummeternte desto reichlicher ausfällt. Das Getreide steht unterschiedlich. Einerseits ist ziemlich viel ausgewintert, andere Getreide, besonders Roggen und Weizen, stehen teilweise sehr schön und wurden, da keine schweren Regen und Gewitter waren, nicht eingeschlagen.

 

27. Juni 1947 - Hühnerpest

Sehr häufig tritt heuer die Hühnerpest auf. Die Tiere bekommen einen blauen Kamm, fressen nicht mehr, stehen krank umher und schon am nächsten Tag sind die verendet. Er wurden zwar – ich glaube, es war im Frühjahr – in Bockhorn die Hühner gegen die Hühnerpest geimpft -  das hat aber nichts geholfen. Ich vermute jedoch stark, dass es gar keine Hühnerpest ist. Die Bauern sagen, die Hühner hätten einen entzündeten Kropf und der ganze Eierstock würde zu Wasser, das beim Öffnen sehr stinke.

 

Kartoffelkäfer

In Riedersheim wurden ziemlich viel Kartoffelkäfer gefunden. Auch in Hecken soll er wieder aufgetreten sein. Morgen ist Kartoffelkäfer-Suchtag!

 

23.07.1948

Die Ereignisse überstürzen sich und schon nach wenigen Wochen weiß niemand mehr so recht, was eigentlich war und was sich zutrug. Viel weniger noch werden die folgenden Geschlechter genauere Kenntnis haben von den Schicksalen ihrer Vorfahren. So sollen denn diese Zeilen das Wichtigste festhalten, um den Kommenden von den Nöten und Freuden zu berichten, die hinter ihnen liegen. Sie werden dann manches leichter verstehen und ihr Urteil gerechter bilden. Daraus ergibt sich von selbst, dass ich hier die wichtigsten Ereignisse so objektiv wie es menschlich möglich ist, aufzeichnen werde. Freilich eine vollkommen objektive Geschichte gibt es nicht, denn schon das, was oder was nicht aufgezeichnet wird, wirft einen Blick auf die Einstellung des Berichters.

Dennoch will ich versuchen allen gerecht zu werden und mein eigenes Urteil so weit wie möglich zurückdrängen. Dass all dies, was hier niedergeschrieben wird, auch der Wahrheit entspricht, dafür bürge ich. Oft sind auch umlaufende Gerüchte und Witze für die Stimmung des Volkes aufschlussreich; ich werde daher auch diese gelegentlich mit aufnehmen, dabei aber ausdrücklich betonen, dass es sich um ein Gerücht oder einen Witz handelt. Wenn ich noch etwas aus früheren Zeiten erfahren kann, so soll auch dies unter Beifügung des Namens der Quelle des Bürgen oder Erzählers niedergelegt werden.

Ich hoffe, dass sich darunter manches befinden wird, was des Lesens wert ist. Betonen möchte ich noch, dass ich kein Schriftsteller bin und auch keiner sein will. Diese Zeilen sind nicht als Grundlage für ein Buch geschrieben. Sie wollen nur die Ereignisse, wie sie sich im Dorfe abspielen, festhalten. Unter Dorf verstehe ich die gesamte politische Gemeinde Bockhorn und deren Umgebung, soweit sie für das hiesige Leben und Treiben bedeutungsvoll ist.

Erst heute, am Freitag, 23. Juli 1948, ist es mir wegen der Papierknappheit gelungen, dieses Buch aufzutreiben. So kann ich also die Ereignisse seit 1945 nur kurz so verzeichnen, wie ich sie mir auf Zettel notiert habe.

Mögen diese Zeilen dazu betragen, die Liebe zur Heimat zu stärken und zu erhalten, mögen sie besonders aber dazu beitragen, dass unter den Menschen der Hass und Neid wieder schwindet und sie sich wieder in christlicher Nächstenliebe verstehen und gegenseitig beistehen. In diesem Sinne widme ich diese Aufzeichnungen allen Einwohnern der Gemeinde Bockhorn.